Praxis Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose – niedrigschwellige ambulante Versorgung

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Über 20jährige Tätigkeit

Die ambulante medizinische Versorgung in Deutschland ist gut! Fast 100 Prozent – 99,8 Prozent um genau zu sein – der Bürger müssen weniger als 10 km fahren, um den nächsten Hausarzt zu erreichen (Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion im Februar 2018) . Auch im Saarland ist das so. Aber wie sieht es aus, wenn jemand seine Wohnung verloren hat und auf der Straße lebt? Wenn Hürden überwunden werden müssen, um medizinische Versorgung zu bekommen? Wer keine Wohnung mehr hat, verliert meist auch den Kontakt zu seinem Hausarzt.

Diese Menschen gehen gar nicht mehr oder nicht rechtzeitig zum Arzt. Das hat unterschiedliche Gründe. Teilweise fehlt ihnen die nötige Krankheitseinsicht, häufig können sie aber auch ihren Krankenversichertenstatus nicht nachweisen oder trauen sich nicht mehr zum Arzt, weil sie sich als „nicht gerne gesehenes Klientel“ fühlen. Sie schämen sich, haben Angst ein Wartezimmer zu betreten.

Diese Situation war lange Jahre so und ebenso lange nicht allgemein bekannt. Das hat sich mittlerweile geändert. Daran hat die „Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose“ in Saarbrücken einen erheblichen Anteil. Sie kann mittlerweile auf eine über 20jährige Tätigkeit zurückblicken. Doch als private Einrichtung musste die Praxis, die vom Diakonischen Werk betrieben wurde, viele Hürden überwinden, zum Beispiel bei der Verordnung von Medikamenten ohne Kassenrezept oder wenn Einweisungen in ein Krankenhaus veranlasst werden musste. Seit 2005 wird das Projekt gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland geführt.

Sprechstunden in Kooperation mit Sozialarbeitern

In der „Praxis Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose“ bieten saarländische Ärztinnen und Ärzte in Kooperation mit Sozialarbeitern der Diakonie Saar regelmäßige Sprechstunden an.

Die Medizinische Grundversorgung wird durchschnittlich ca. 365 Tage pro Jahr in Anspruch genommen. Rund 50 Menschen werden schon im Vorfeld von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern versorgt. Die Ärzte behandelten in den letzten Jahren durchschnittlich rund 200 Patienten pro Jahr. Alle Ärztinnen und Ärzte in der Praxis arbeiten ehrenamtlich, die meisten von ihnen wollten nach ihrem Erwerbsleben ihre Kenntnisse und Erfahrungen weiter einbringen.

Wie sieht die Arbeit in der Praxis aus?

Ärztinnen und Ärzte arbeiten meist zu dritt und nach Absprache zusammen. In der Sprechstunde begleitet werden sie von einer Medizinischen Fachangestellten und einem Sozialarbeiter, der sich zum Beispiel um den Versicherungsstatus und eventuelle Unterbringungsmöglichkeiten für die Wohnungslosen kümmert. Die eigentliche Arbeit findet in den beiden Behandlungsräumen statt.

Die Patienten kommen aus vielfältigen Gründen. In der Regel sind es aber die gleichen Probleme, die in jeder Hausarztpraxis vorkommen. In kleinen Rahmen ist für die Erstdiagnosen eine ausreichende Ausstattung vorhanden. Für aufwändigere Diagnostik, oder Therapien wird versucht, für die Patienten eine Weiterbehandlung zu organisieren.

Oliver John, Sozialarbeiter, kennt alle in der Praxis tätigen Ärzte und alle Patienten. Er weiß, was für die Arbeit in der Praxis und bei Behandlungen „Auf der Straße“ wichtig ist: „Unsere ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzte brauchen vor allem Geduld und Einfühlungsvermögen. Und Zeit. Denn insbesondere der Kontakt mit neuen Patienten beginnt oft sehr vorsichtig. Wir behandeln hier alle Menschen mit Respekt. Die meisten sind das gar nicht mehr gewöhnt, weil ihnen aufgrund ihres Aussehens oder ihres Geruchs häufig Verachtung entgegenschlägt. Schwierig für die Ärzte ist häufig die fehlende Kontinuität der Behandlung. Es ist ja nicht allein mit der Diagnosestellung getan. Unser Ziel ist zwar zunächst die Akutversorgung, aber auch die eventuelle weiterführende Behandlung und Nachsorge. Manch ein Patient ist so schwer erkrankt, dass er ins Krankenhaus eingewiesen werden muss, manchmal erscheint er dann danach aber nicht mehr zur Nachsorge. Vielen fehlt auch bei schweren Erkrankungen die Krankheitseinsicht. Für uns alle ist es deshalb immer ein Erfolg, wenn Patienten die Behandlung bis zur Heilung durchführen lassen.“

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