30 Jahre Arzt im Saarland: Dr. Josef Lißmann: „Die Innere Medizin war für mich Liebe auf den ersten Blick“

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Dr. Josef Lißmann ist seit 1993 in Homburg-Erbach als fachärztlich tätiger Internist niedergelassen. Nach wie vor ist er von seinem Beruf begeistert und möchte das auch jungen Nachwuchsmedizinern vermitteln.

Wann haben Sie die Entscheidung für Ihr Fachgebiet getroffen? Was waren Ihre Überlegungen, hatten Sie Vorbilder?

Die Entscheidung für das Fachgebiet war tatsächlich nicht so einfach, denn es gibt so viele interessante Fachgebiete im Bereich des Medizinstudiums. Ich habe zuerst mehr zur Chirurgie und Urologie tendiert, war aber dann auch sehr angetan von den großen Herausforderungen des riesigen Gebietes der Inneren Medizin.

Warum haben Sie sich niedergelassen, statt in der Klinik zu bleiben oder in die Industrie zu gehen?

Die entscheidende Motivation für die eigene Praxis war, dass ich schon als junger internistischer Assistent Praxisvertretungen in Zweibrücken gemacht habe. Meine Kollegen und das Personal in den Ambulanzen in den medizinischen Kliniken, in denen ich Dienste hatte, haben mir gleichfalls bestätigt, dass ich gut für die ambulante Versorgung geeignet sei.

Ich habe mich dann bei einem Termin in der KV (damals mit Herrn Bernd Feit, dem damaligen Berater im Bereich Sicherstellung) detailliert informiert und meine Motivation und meine Entscheidung für die Praxis gemeinsam mit ihm besprochen. Natürlich muss alles stimmen, nicht nur das Medizinische, auch das Ökonomische.

Am Montag darauf habe ich dann meinen Praxisvorgänger Dr. Ulrich Klein getroffen. Er hat aus damaliger Sicht sehr „avantgardistische“ Medizin gemacht und wurde im Kollegenkreis gerne als „Schilddrüsen-Klein“ bezeichnet. Er hatte bereits einige Bewerber für seine Praxis, die aber alle zögerlich waren. Er setzte mir also „die Pistole auf die Brust“ und sagte mir, wenn ich die Praxis wolle, müsse ich noch am gleichen Tag unterschreiben – was ich abends dann auch gemacht habe.

Das war also Liebe auf den ersten Blick. Und so ist es auch bis heute geblieben. Ich konnte die Praxis von dieser sehr breiten internistischen Basis weiterentwickeln in Richtung der kardiovaskulären Medizin und Ultraschallmedizin beibehalten. Meine Schwerpunkte sind Angiologie und Diabetologie, ich führe aber auch – wie seit 1993 – konservative kardiologische Untersuchungen durch. Seit 2001 ist die Praxis dem fachärztlichen Bereich zugeordnet mit Schwerpunkt Kardiologie.

Dr. Josef Lißmann und sein Team

Wie hat sich der Arztberuf in den letzten 20 oder 30 Jahren verändert? Zum Guten, zum weniger Guten? Was vermissen Sie? Über welche Veränderungen haben Sie sich gefreut?

Ich bin nach wie vor mit meiner Entscheidung, mich niedergelassen zu haben, sehr zufrieden. Ich kann hier erfolgreiche und wie ich meine auch moderne und humanistische Medizin umsetzen, habe einen ungeheuer guten Kolleginnen- und Kollegenkreis. Seit über 20 Jahre bin ich Moderator des Qualitätszirkels Saarpfalz. Das mache ich mit großer Freude und – wenn ich es denn so sagen darf – auch mit großem Erfolg.

Und daher schrecken mich auch schlechte Rahmenbedingungen oder negative Entwicklungen nicht in dem Maße. Ich lasse mir davon nicht meinen Beruf oder meine Arbeit am Patienten kaputt machen. Es gibt im System gewisse „Verwaltungsbehinderungen“, ökonomischer Art, aber die stehen für mich nicht im Vordergrund.

Ich heiße viele Entwicklungen nicht gut bzw. finde sie überflüssig. Ich möchte konstruktiv arbeiten, das ist mir sehr wichtig. Die Menschen brauchen einen Arzt, einen breit aufgestellten Internisten, durchaus mit Spezialgebieten, gerade auch bei den Volkserkrankungen wie Diabetes. Ich bin auch Hypertensiologe. Das sind Volkskrankheiten, die müssen abgeholt werden. Aus meinem Werdegang ergibt sich diese breite generalistische Aufstellung der Inneren Medizin, die heute aus meiner Sicht droht, verloren zu gehen.

Und damit gehen auch leider viele Zusammenhänge verloren. Es ist nicht nur ein Patient, ein Herzpatient oder ein Gefäßpatient oder ein Diabetespatient. Dieser multimodale Ansatz in der Diabetesmedizin ist bekannt: ein Patient, der alle möglichen internistischen Probleme hat. Auch bei der endokrinologischen Abklärungen besteht eine sehr hohe Nachfrage.  Als Internist muss man die Zusammenhänge zwischen den Gebieten erkennen.

Immer mehr Menschen informieren sich im Internet zu medizinischen Fragen. Wie hat sich das Arzt-Patientenverhältnis dadurch möglicherweise verändert? Gab es schöne Erlebnisse mit Patienten, an die Sie immer wieder gerne zurückdenken?

Gute Erlebnisse mit Patienten gibt es fast jeden Tag. Man muss auf die Patienten zugehen. Ich möchte nichts beschönigen, es gibt viele Probleme im Umgang, auch Störungen, die sich auf die Arzt-Patienten-Beziehung auswirken. Unter anderem auch das Internet: Die Macht der Bilder im Internet ist so groß, dass die Menschen so vereinnahmt werden, dass sie von einer falschen Meinung nicht mehr abrücken. Das ist nicht gut und stört die Arzt-Patienten-Beziehung. Das ist meine große Kritik, ansonsten kann sich jeder informieren wie er möchte.

Ich versuche zwar, so weit wie möglich auf den Patienten einzugehen und sie abzuholen, aber es gibt gewisse Grenzen, über die kommt man nicht hinaus.

Ich halte das Arzt-Patienten-Verhältnis für elementar und wichtig. Denn die Basis ist immer noch, dass der Patient sich vertrauensvoll an den Arzt wenden kann. Das halte ich für eine große Sache, die man auch gegen alle externen Einflüsse und Störfaktoren verteidigen muss.

Das zeige ich den Patienten gegenüber auch in meiner schnellen Terminvergabe. Ich nehme jeden Neupatienten. Bei mir gibt es keine langen Wartelisten, ich tue, was ich kann.

Welche Wünsche würden Sie gerne an die KV richten? Was könnte Ihnen die Arbeit erleichtern? Welche Einflüsse hat die Politik für Sie?

Ich werde auch weiterhin gerne im Gespräch bleiben mit allen Gremien der KV, so dass man sich gegenseitig austauschen kann.

Ich bin jetzt 62 Jahre alt und war mit 32 wahrscheinlich der jüngste Fachinternist in der Praxis im Saarland. Ich möchte noch viele Jahre mit meinen Patienten dabei sein.

Gerade eine regionale KV sollte wissen, was die Versorgung und die Menschen vor Ort brauchen. Zentralistische Planungen auf Bundesebene helfen uns da nicht weiter, sondern machen den Versorgerpraxen das Leben noch schwerer.  

Wir machen hier unsere Arbeit, da spreche ich auch für meine Kollegen. Wir machen sie auch wirklich gerne, wir haben viele positive Rückmeldungen von den Patienten. Im Saarland sind wir vorbildlich in der Versorgung. Wir haben schnelle und kurze Wege. Aber das hängt vom Engagement der Ärzte ab und da bitte ich auch die KV um weitere Unterstützung, dass sie mit uns kämpft und nicht nur Regularien „über uns ausschüttet“.

Lassen Sie uns zu jungen Kollegen kommen: Würden Sie einem jungen Arzt empfehlen, sich als Allgemeinmediziner (oder FA) niederzulassen?

Den jungen Nachwuchsärzten kann ich nur sagen: Wenn Sie den Beruf Arzt mögen und sich darin wiederfinden, sollten sie das auch tun. Ich war damals schon als Schüler im Marienkrankenhaus St. Wendel und habe mir angeschaut, was das bedeutet. Also als Gymnasiast in der Entscheidung, was mache ich später. Ich wusste schon mit 14 Jahren, das mache ich, obwohl mir ein Chefarzt der Inneren Medizin gesagt hat „mach das bloß nicht, die Rahmenbedingungen sind so schlecht“.

Man soll sich seinen Berufswunsch nicht von einem schlechten Kontext kaputt machen lassen, sondern mit der KV gemeinsam versuchen, weiter voranzukommen.

Die Menschen brauchen Vorbilder, deshalb habe ich meine auch so detailliert genannt.

In meiner Praxis hatte und habe ich viele Famulus-Studenten. Alle sind begeistert, wenn sie das hier gesehen haben. Allerdings zeige ich ihnen auch, was das für eine Knochenarbeit ist. Ich kenne jeden Patienten, da wird nichts abgeschoben, ich spreche mit jedem Patienten, ich mache bei jedem eine Schulung, das wird nicht wegdelegiert oder retuschiert. Das ist anstrengend und wenn ich das so sagen darf, auch unterbezahlt.

Daran sollte man sich nicht primär orientieren. Da bitte ich die jungen Kollegen zu uns zu kommen und sich das anzuschauen. Denn hier ist eine breite Frontmedizin, hier sieht man, wie es wirklich geht.  Dazu habe ich bisher sehr positive Rückmeldungen von den jungen Menschen bekommen.

Übrigens ist auch mein ältester Sohn Jan Josef nach ausführlichen Informationen und Erfahrungen in die Medizin gegangen. Die junge Generation stellt ja zurecht kritische Fragen und sie möchten über Negativfaktoren oder die schlechten ökonomischen Faktoren informiert werden, um zu entscheiden, wie sie damit zurechtkommen.

Hat die klassische Arztpraxis noch Zukunft?

Ob die klassische Arztpraxis noch Zukunft hat, würde ich bejahen, aber man muss darum kämpfen. Es ist kein Selbstläufer, man muss es wollen und man muss immer konstruktiv weitermachen.

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